Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 07.01.2021, Aktenzeichen: 6 U 22/20

Sachverhalt:

Der Erblasser wurden Ende 2004 in eine Psychiatrie verlegt und es wurde dann mittels einer Computertomografie des Kopfes ein frischer Hirninfarkt festgestellt.

Anfang Januar 2005 wurde dann die Beklagte als Berufsbetreuerin des Erblassers bestellt.

Im April 2005 wurde der Erblasser dann aus dem Krankenhaus, wo er behandelt worden war, entlassen und zog in ein Wohnheim, wobei er von Anfang an bis zu seinem Tode auf der gerontopsychiatrischen Pflegestation untergebracht war.

Teilweise befand er sich dann auch noch aufgrund zunehmender Allgemeinzustandsverschlechterung zur stationieren Behandlung im Krankenhaus.

Mit einer notariellen Urkunde einer Notarin vom 04.05.2005 hatte der Erblasser im Wohnheim ein Testament errichtet, in dem angegeben war, dass sich die Notarin in einer Unterhaltung mit dem Erblassen sich von dessen Testierfähigkeit überzeugt hat.

Der Erblasser hat dann verfügt, dass er die Berufungsbetreuerin und einen weiteren Beteiligten als seine Erben einsetzt.

Geklagte hatte dann ein vom Amtsgericht bestellter Nachlasspfleger.

Der Kontakt zwischen dem Erblasser und dem weiteren Erben hatte die Berufsbetreuerin hergestellt. Es wurde dann auch wegen des Vorwurfs der gewerbsmäßigen Untreue u. a. gegen Berufungsbetreuer und Notare ermittelt, darunter auch gegen die beiden Beklagten.

Aus den Gründen:

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Celle war zunächst eine Testierunfähigkeit des Erblassers gegeben. Diesbezüglich hat das Oberlandesgericht darauf hingewiesen, dass eine Betreuung als solche die Testierfähigkeit als solche nicht berührt.

Allerdings wäre im vorliegenden Fall von einer Testierfähigkeit spätestens zum Jahreswechsel 2004 / 2005 auszugehen.

Im Übrigen war das Testament aber nach Ansicht des Gerichts sittenwidrig. Nach Ansicht des Gerichts ist zwar § 14 Abs. 5 HeimG, wonach es leitenden Personen, dem Beschäftigten oder auch sonstigen Mitarbeitern eines Heims untersagt ist, sich von oder zu Gunsten von Bewohner für die Erfüllung von Pflegepflichten Leistungen versprechen oder gewähren zu lassen, nicht analog anwendbar.

Auch fehle bislang eine Wertung des Gesetzgebers, dass Zuwendungen eines Betreuten an den Betreuer sittenwidrig wären.

Unter Hinweis auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig vertrat das Gericht dann die Auffassung, dass der Betreuer ein vom Gericht bestellter staatlicher Beistand zur Fürsorge in rechtlichen und auch persönlichen Angelegenheiten sei und der Betreute daher von dem staatlich bestellen Betreuer erwarten kann, dass er seine Aufgabe auch ohne die Erwartung besonderer Zuwendungen seitens des Betreuten zu dessen Wohl sachgerecht ausübt.

Den Grundsätzen des Betreuungsrechts sei zu entnehmen, dass es das Gesetz als sittenwidrig billigt, wenn ein Betreuer ein ihm gerichtlich verleihende Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf den Betreuten dazu benutzt, gezielt darauf hinzuwirken, dass der in der Folge seiner geistigen Behinderung leicht beeinflussbare Betreute ohne reifliche Überlegung über erhebliche Vermögenswerte zugunsten des Betreuers durch ein Testament vor einem Notar verfügt, der nicht von dem Betreuten als sein Berater hinzugezogen worden ist, sondern von dem begünstigen Betreuer.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle lagen diese Umstände auch in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall vor.

Die Berufsbetreuerin hätte eine ihre persönlich bekannte und vertraute Notarin beauftragt und dafür gesorgt, dass sie selbst ohne zwingenden Grund bei der Aufnahme des Testaments anwesend war. Sie habe auch der Notarin vorher gesagt, um was es gehe, auch im Hinblick darauf, dass sie und der andere Beklagte Erben werden sollen.

Die Berufsbetreuerin hätte auch die persönlichen und finanziellen Verhältnisse des Erblassers gekannt und habe auch bei Testamentserrichtung gewusst, dass sie neben dem anderen Beklagten Erbin war und der Erblasser auch gar nicht mehr in der Lage war, ein Testament durch ein eigenes handschriftliches Testament zu ersetzen.

Nach Ansicht des Gerichts habe die Berufsbetreuerin damit auch eine lang behauptete gute Beziehung zum Erblasser ausgenutzt.

Anmerkung:

Die Auffassung, wonach das Oberlandesgericht Celle die Unwirksamkeit des notariellen Testaments neben einer Testierunfähigkeit auch noch mit einer Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB begründet hat, kann strittig sein. Denn nach § 138 BGB muss das Rechtsgeschäft, hier also die einseitige Verfügung des Erblassers, sittenwidrig sein. Ein sittenwidriges Verhalten des Erblassers lag nicht vor, so dass hier nur das fragwürdige Verhalten der Berufsbetreuerin zur Begründung einer Sittenwidrigkeit möglich war. Eis ist aber war fraglich, ob derartige äußere Einflussnahmen eine Sittenwidrigkeit begründen können.

Im Übrigen lag auch bei dem Erblasser hier kein subjektives Element einer Sittenwidrigkeit vor, so dass auch aus diesem Grund fraglich sein kann, ob § 183 BGB in diesem Fall Anwendung finden kann.

15.10.2021