In einem Urteil von Februar 2017 hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden, dass ein Behindertentestament nicht bereits deshalb sittenwidrig ist, weil der Sozialhilfeträger dadurch benachteiligt wird.

Behindertentestamente werden gewählt, damit Angehörige, insbesondere etwa Kinder, die Leistungen der Sozialhilfe erhalten, einerseits abgesichert sind und auf der anderen Seite aber der Sozialhilfeträge nicht auf das Vermögen der Erblasser zugreifen kann.

In dem Testament, das der Entscheidung des OLG Hamm zugrunde lag, hatten die Eltern ihrem behinderten Sohn ein Anteil in Höhe es 1,1 – fachen Pflichtteils als Vorerben hinterlassen und für diese Erbteile bis zum Versterben des Sohnes einen Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Im Übrigen hatte der Testamentsvollstrecker jeden Erbteil des behinderten Sohnes so zu verwalten, dass dem behinderten Sohn so viele Mittel zur Finanzierung persönlicher Interessen und Bedürfnissen gewährt werden, dass ihm dadurch Sozialleistungen nicht verloren gehen.

Beim Tode des behinderten Sohnes waren noch lebende Familienangehörige als Nacherben eingesetzt.

Der Sozialhilfeträger hat, nachdem die Mutter des behinderten Kindes gestorben war, ein Pflichtteilsanspruch für den behinderten Sohn gefordert.

Keine Sittenwidrigkeit des Behindertentestaments

Das Oberlandesgericht Hamm hat zunächst in Fortentwicklung der Rechtsprechung des BGH festgestellt, dass das Behindertentestament nicht sittenwidrig ist. Im Rahmen der Testierfreiheit könnten Erblasser ihr behindertes Kind auch benachteiligen und der gesetzliche Pflichtteilsrecht nicht sei tangiert, weil der dem behinderten Angehörigen zugedachte Erbteil über dem gesetzlichen Pflichtteil liegt.

Testamentsvollstreckung in Behindertentestament zulässig

Auch sei die Anordnung einer Testamentsvollstreckung nicht zu beanstanden, soweit die Eltern damit hätten sicherstellen wollen, dass ihrem behinderten Sohn der Erbteil auf Dauer erhalten bleibt und daraus persönliche Bedürfnisse bzw. auch Therapien finanziert werden sollten, die vom Sozialhilfeträger nicht übernommen würden. Dahinter verberge sich keine sittenwidrige Absicht.

Vor- und Nacherbfolge rechtmäßig

Auch die Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge sei rechtmäßig. Es bestünde keine gesetzliche Verpflichtung für Eltern, einem behinderten Kind in einer gewissen Größe des Vermögens einen über den Pflichtteil hinausgehend Erbteil zu hinterlassen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der behinderte Angehörige seinen Pflichtteilsanspruch durch das Ausschlagen des beschränkten Erbteils grundsätzlich hätte behalten können. Soweit der für den Sohn bestellte Ergänzungspfleger die Erbschaft nicht ausgeschlagen habe, um dem Sohn weitere Sozialleistungen zu ermöglichen, sei dies auch nicht zu beanstanden. Es würde auch keine gesetzliche Verpflichtung bestehen, eine Ausschlagung vorzunehmen, um damit den Sozialhilfeträger zu begünstigen.

Damit hat das Oberlandesgericht Hamm erfreulicherweise eine Linie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung fortgesetzt, dass Behindertentestamente nicht sittenwidrig sind.

Um das Ziel von Erblassern zu erreichen, ihre behinderten Angehörigen, die Sozialhilfe erhalten, einerseits abzusichern und andererseits einen Zugriff des Sozialhilfeträgers zu verhindern, muss ein entsprechendes Testament auch bestimmte inhaltliche Gestaltungen erhalten, um diese Ziele zu erreichen und sich auch nicht dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit auszusetzen.

Rechtsanwalt Oliver Busch von der Kanzlei Engelhard, Busch & Partner berät Angehörige mit Beeinträchtigungen, die sich über ein Behindertentestament absichern wollen.

14.12.2017